Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative

Die Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative ist ein Zusammenschluss von über 20 Städten und Landkreisen und zahlreichen weiteren Akteuren. Sie steht für Konzept und Praxis Kommunaler Koordinierung bei der Gestaltung der Übergänge Schule – Arbeitswelt „vor Ort“.  Die Arbeitsgemeinschaft sieht für sich zwei zentrale, miteinander eng verbundene Aufgaben: sich „anwaltschaftlich“ für die Anerkennung von Kommunaler Koordinierung und gute und förderliche Rahmenbedingungen einzusetzen, und die fortlaufende Verbesserung der lokalen Praxis zu unterstützen.

Login

Bericht 3. Quartal 2015

Hoyerswerda, 19.11.2015

Hoyerswerda: Eine Stadt mit heute ca. 35.000 Einwohnern weit im Osten Sachsens, die 1991 traurige Berühmtheit durch rassistische Übergriffe erlangte. Was ist an dieser Stadt heute spannend? Vielleicht dies: Dass dort in Sachen Bildung Erstaunliches passiert!


Hoyerswerda musste nach der Wende einen auch für Ostdeutschland spektakulär hohen Einwohnerverlust bewältigen. Als Wohnstadt für das Braunkohlekombinat Schwarze Pumpe mit in der Spitze nahezu 80.000 Einwohnern vor allem in der eigens dafür errichteten Neustadt war sie vom industriellen Bruch nach 1990 besonders betroffen.

Nachdem die anfängliche „Schockstarre“ überwunden war, ging es um die Zukunftsperspektiven der Menschen in der Stadt und für die Stadt selbst. Was den Wirtschaftsstandort betrifft, so verbinden ich die Optionen vor allem mit dem im ehemaligen Braunkohlenrevier entstehenden Seenland und mit der mittelzentralen Funktion, die Hoyerswerda – mittlerweile zum Kreis Bautzen gehörend – in der Region einnimmt.


Den Verantwortlichen und Engagierten in der Stadt wurde frühzeitig klar, dass Bildung in verschiedener Hinsicht zu einer Schlüsselfrage dieser Stadt wird. Nach 1991 war dies auch als Antwort auf die durch die Übergriffe deutlich gewordene Gefährdung von Demokratie und friedlichem und respektvollem Zusammenleben gerichtet. Damals nahm die RAA - von der Freudenberg Stiftung gefördert – ihre Arbeit auf; sie erweiterte später ihre Aktivitäten über verschiedene Bereiche der Demokratiebildung hinaus auf das gesamte Feld der lebenspraktischen Bildung und führt heute fachlich die beim Oberbürgermeister angesiedelte „Koordinierungsstelle Bildung“. Denn: Es wurde zu einem städtischen Ziel, trotz des hohen Bevölkerungsverlusts die hervorragende städtische Bildungsinfrastruktur zu gut wie möglich zu erhalten und ihre Potenziale auszubauen.


Damit waren zwei Ziele verbunden, nämlich erstens: vor allen den Kindern und Jugendlichen, die in Hoyerswerda aufwachsen, eine gute und zugleich lebenspraktisch brauchbare Bildung mitzugeben – egal, ob sie bleiben oder gehen. Dies ist besonders wichtig, da der Anteil derjenigen Kinder und Jugendlichen, die unter SGB-2-Verhältnissen leben, recht hoch ist.  Und zweitens: der Stadt ein ganz deutliches Bildungsprofil zu geben, um daraus einen wirksamen Standortfaktor zu machen. Ein Vorhaben zu „Ein Quadratkilometer Bildung“, das – u.a. von der Freudenberg Stiftung gefördert – auf zehn Jahre angelegt ist, rundet das Bild ab.


Lokale Verantwortungsgemeinschaft für Bildung und Kommunale Koordinierung sind Stichworte für eine Bildungslandschaft, die für die Größe der Stadt in Qualität, Transparenz, Dichte der Zusammenarbeit und Zukunftsfähigkeit  keinen Vergleich zu scheuen braucht. Und dies in der ostdeutschen Provinz!  Mittlerweile ist deshalb eine Art von „Bildungstourismus“ entstanden: Bildungsfachleute besuchen immer häufiger die Stadt , z.B. aus dem Kreis der Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative, zu deren Gründungsmitgliedern Hoyerswerda zählt und dessen Oberbürgermeister einer ihrer Sprecher ist.


Einwanderung und Migrationshintergrund  gehören in den westdeutschen Städten mittlerweile zum Alltag der lokalen Bildungssysteme. Dies war in Hoyerswerda lange Jahre nahezu unbekannt. Seit zwei Jahren gibt es nun auch in Hoyerswerda eine Flüchtlingsunterkunft, was vor dem Hintergrund der 91er Ereignisse zu erheblicher medialer Aufmerksamkeit führte. Weitere Unterkünfte kommen aktuell hinzu. Die städtische Gemeinschaft war hierauf mit einem breiten Bündnis „Hoyerswerda hilft mit Herz“ in der Tradition der Arbeit seit 1991 gut vorbereitet.


Bildung als Motor für die städtische Zukunft: diese Perspektive stand am Ende eines Forums, das die Stadt, die RAA und die Freudenberg Stiftung im November 2005 veranstalteten. Als direkte Konsequenz wurde ein Handlungskonzept Bildung erarbeitet und vom Stadtrat als Grundlage-Dokument verabschiedet. Insofern kann man tatsächlich einem wichtigen Meilenstein sprechen. Also: Zehn Jahre auf dem Weg zur gemeinsamen Bildungslandschaft, am 19. November 2015 in Hoyerswerda.