Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative

Die Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative ist ein Zusammenschluss von über 20 Städten und Landkreisen und zahlreichen weiteren Akteuren. Sie steht für Konzept und Praxis Kommunaler Koordinierung bei der Gestaltung der Übergänge Schule – Arbeitswelt „vor Ort“.  Die Arbeitsgemeinschaft sieht für sich zwei zentrale, miteinander eng verbundene Aufgaben: sich „anwaltschaftlich“ für die Anerkennung von Kommunaler Koordinierung und gute und förderliche Rahmenbedingungen einzusetzen, und die fortlaufende Verbesserung der lokalen Praxis zu unterstützen.

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Dokumentation zur Videokonferenz am 22.6.2020 zum Thema: Führt die Corona-Krise zu einer neuen Berufsnot bei Jugendlichen? (aktualisiert 15.7.2020)

15.07.2020

Die 1. Videokonferenz am 22.Juni 2020 stand unter der Frage: Führt die Corona-Krise zu einer neuen Berufsnot bei Jugendlichen? Von einer Gefahr hierfür war die Erklärung der Arbeitsgemeinschaft ausgegangen und auch ich hatte in meinem Einleitungsstatement - auch in einem historischen Rückblick auf die Ausbildungskrisen der Vergangenheit-  ein Szenario entwickelt, bei dem bestimmte Gruppen von jungen Menschen ein erhöhtes Risiko laufen, ausbildungslos zu bleiben oder mit einer ungenügenden Ausbildung in das Erwachsenenleben einzumünden. 

Alle Beiträge der 1. Videokonferenz sind bereits auf unserer Homepage (s. u.) dokumentiert.

Die Kurzberichte aus vier Kommunen zeigten hierzu ein uneinheitliches und vor allem noch nicht abgeschlossenes Bild

So wurde z.B. aus Mannheim zum einen berichtet, dass nach Auskunft der Agentur für Arbeit und der Kammern ein stabiles Ausbildungsplatzangebot zu erwarten sei. Zugleich ist per Monat Mai eine um ein Fünftel niedrigere Zahl von Abschlüssen von Ausbildungsverträgen zu verzeichnen; es ist also von einer erheblichen zeitlichen Verzögerung auszugehen. 

Ein ähnliches Bild ergibt sich aus Kassel. Es wird aber darauf hingewiesen, dass in den letzten Wochen vor unserem Termin die Berufsberater*innen der Agentur von einer Häufung von Fällen berichten, in denen aufgrund der Kurzfristigkeit die Ausbildungsverträge nicht zustande kamen bzw. auf das nächste Jahr verschoben wurden. 

Aus Weinheim wird auf der Basis von Gesprächen berichtet, dass vor allem in kleinen und mittleren Betrieben Zurückhaltung anzutreffen sei. Befürchtet wird, dass die Chancen von Jugendlichen mit Hauptschulabschluss sich weiter verschlechtern. 

Aus dem Kreis Dithmarschen wird berichtet, dass es – soweit erkennbar – bislang keine Stornierungen aufgrund von Corona, aber das Ausbildungsangebot im Vergleich zum Vorjahr deutlich niedriger sei.  Angebot und Nachfrage nach Ausbildung hielten sich aktuell numerisch die Waage. 

In ihrem Statement wies Birgit Reißig vom Deutschen Jugendinstitut darauf hin, dass die Datenlage aktuell noch nicht belastbar sei, man aber auf jeden Fall neben der Frage der Einmündung auch der Frage nachgehen müsse, ob junge Menschen, die schon in einer Ausbildung sind, Corona bedingte Risiken laufen, z.B. in solchen Betrieben, die in Insolvenz gehen. Das sei insofern eine sehr wichtige Frage, als der Geschäftsklimaindex sich enorm verschlechtert habe und unter jenem des Finanzkrisenjahres 2008 liege. Eine auf dieser Basis versuchte erste Prognose aus dem Bundesinstitut für Berufsbildung geht davon aus, dass die Zahl unvermittelter Bewerber*innen in 2020 bei ca. 90 000 liegen könne. Sie kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass diejenigen, die es ohnehin schwer haben, besonders von der Corona-Krise betroffen sein werden. 

Marta Gębala von BQN aus Berlin weist neben der besonderen Betroffenheit von Gruppen junger Menschen, bei denen sich verschiedene Benachteiligungen zu komplexen Risikolagen kumulieren, ein Blick auf die 9-Klässler*innen gerichtet werden müsse, denen aufgrund der Corona-Krise die abschließenden Berufsorientierungen wegen der ausgefallenen Praktika fehlten. 

Berichte aus diversen Arbeitsmarktregionen zeigen weitgehend übereinstimmend ein Rückgang an Ausbildungsplätzen, so z.B. in Sachsen-Anhalt um 7 Prozent, aber auch bei den Ausbildungsplatzbewerber*innen, so z.B. in Sachsen-Anhalt um 9 Prozent. –  

Der Schutzschirm für die Ausbildung ist mit einer Summe von 500 Millionen Euro nun beschlossen worden. Es ist ein Prämienprogramm, das einmalig 2000 Euro für jeden Auszubildenden und 3000 Euro für einen neuen Ausbildungsplatz vorsieht und zielt auf Betriebe bis zu 250 Beschäftigten. Voraussetzung ist die Anmeldung von Kurzarbeit für sechs Monate oder ein Umsatzeinbruch von mindestens 60 Prozent.  

Die Prämien decken allerdings in keinem Fall die Kosten einer Ausbildung ab – und damit bleibt die Frage, ob dies für Betriebe, die sich entsprechend der Förderkrise in einer manifesten Notlage befinden, ein Anreiz ist, wie erhofft wird. Hinzukommt, dass es Betriebe geben wird, denen es aktuell noch ganz gut geht – die also nicht unter die Kriterien fallen - , aber in Zukunft Turbulenzen erwarten, und deshalb ihre Ausbildung einstellen oder verringern. 

Als wichtige Konsequenzen für die Kommunale Koordinierung kann schon an dieser Stelle formuliert werden: 

(1) Man muss ganz „nah dran“ bleiben, also eine Art von „Frühwarnsystem“ entwickeln und unterhalten, das offen auch für von uns weniger erwartete Entwicklungen ist .

(2) Aufgrund unserer Erfahrungen und Kenntnisse sind wir in der Lage, unsere Aufmerksamkeit präventiv auf jene zu richten, die vermutlich in besonders ausgeprägten Risikolagen sein werden; Maßnahmen müssen vorbereitet werden und 

(3) es ist angezeigt, die aktuelle Aufmerksamkeit auf die immer wiederkehrenden Probleme und Verwerfungen im Übergang Schule – Arbeitswelt für Aufklärung und Debatten in der fachlich-politischen Öffentlichkeit zu nutzen und wo es geht, Reformimpulse zu setzen. 

Darum geht es u.a. in dieser 2. Videokonferenz. Hingewiesen werden soll insbesondere noch auf zwei schriftliche Materialien, die verschickt wurden, von Autor*innen, die heute nicht anwesend sein können, nämlich:

- der Foliensatz von Heike Solga vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung zu Ihrem Podcast-Vortrag „Corona- Bewährungsprobe für das deutsche Ausbildungssystem“ und

- „Ein sozialpädagogischer Blick auf die drohende sog. Ausbildungskrise“ von Georg Horcher.

Unsere Videokonferenz-Reihe werden wir vor unserem Jahresforum im November noch dreimal fortsetzen, immer montags, nämlich: am 24. August, 21. September und 19. Oktober. Über die thematischen Schwerpunkte wird noch zu sprechen sein.

Dokumente und Beiträge 1. Videokonferenz 

Tagesordnung zur Video-Konferenz am 22. Juni 2020
(PDF, ca. 990 Kb)

Input W. Kruse
(PDF, ca. 800 Kb)

 

TOP 3: Bestandsaufnahme: Ausbildungssituation und Jugendliche in Risikolagen

Kurzbericht aus Mannheim
(PDF, ca. 590 Kb)

Kurzbericht aus dem Kreis Dithmarschen
(PDF, ca. 520 Kb)

Kurzbericht aus Weinheim
(PDF, ca. 660 Kb)

Kurzbericht aus Kassel
(PDF, ca. 660 Kb)

 

TOP 4 Debatte: Wie schätzen wir die weitere Entwicklung ein? Wird man für den Herbst 2020 von einer neuen Berufsnot für junge Menschen sprechen können? Wer wird ggf. besonders betroffen sein?

Input B. Reißig 
(PDF, ca. 770 Kb)

 

TOP 5: Handlungserfordernisse/ Handlungsansätze

Beitrag BQN Berlin e.V.
(PDF, ca. 790 Kb)

 

 

 

TOP 6: Erneut eine „Stunde der Kommunalen Koordinierung“? 

Input H. Bernhard 
(PDF, ca. 70 Kb)

 

Schriftliche Materialien

H. Solga
Corona - Bewährungsprobe für das deutsche Ausbildungssystem

(PDF, ca. 510 Kb)

G. Horcher
Ein sozialpädagogischer Blick auf die drohende sog. Ausbildungskrise

(PDF, ca. 100 Kb)