Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative

Die Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative ist ein Zusammenschluss von über 20 Städten und Landkreisen und zahlreichen weiteren Akteuren. Sie steht für Konzept und Praxis Kommunaler Koordinierung bei der Gestaltung der Übergänge Schule – Arbeitswelt „vor Ort“.  Die Arbeitsgemeinschaft sieht für sich zwei zentrale, miteinander eng verbundene Aufgaben: sich „anwaltschaftlich“ für die Anerkennung von Kommunaler Koordinierung und gute und förderliche Rahmenbedingungen einzusetzen, und die fortlaufende Verbesserung der lokalen Praxis zu unterstützen.

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Regionale Tagungen von Transferagenturen Lokales Bildungsmanagement im Jahr 2016

Nordhausen/Neustadt-Grewe/München, 03.11.2016

Auf mehreren regionalen Tagungen von Transferagenturen Lokales Bildungsmanagement konnte zu Konzept, Praxis und Erfahrung der Arbeitsgemeinschaft berichtet werden, so bei

• der Agentur Mitteldeutschland am 24./25.5.2016 in Nordhausen
Zum Bericht mit Video-Beitrag auf www.transferagentur-mitteldeutschland.de

• der Agentur Nord-Ost am 28./29.6.2016 in Neustadt-Grewe

• der Agentur Bayern am 21.7.2016 in München 

Beitrag von Dr. Wilfried Kruse1

Übergangsmanagement als Aktionsfeld des kommunalen Bildungsmanagements 

Vortrag auf der Themenkonferenz der Transferagentur Bayern „Bildungsübergänge gestalten: Eine Gemeinschaftsaufgabe!“ am 21. Juli 2016 in München 

Ein aktueller Ausgangspunkt 

„Das Märchen vom Azubi-Mangel“: so war gestern, am 20. Juli 2016, in der Frankfurter Rundschau ein Gastkommentar von Matthias Anbuhl überschrieben. Anbuhl ist Leiter der Abteilung Bildung beim Deutschen Gewerkschaftsbund. Dieser Kommentar zeugt m.E. von einer tiefen Enttäuschung darüber, dass jene, von denen man dachte, dass sie nun eine Chance haben, immer noch von der Berufsausbildung ausgeschlossen bleiben. Auch deshalb wird für das „Duale System“ ein dringender Reformbedarf reklamiert. 

Übergang Schule-Arbeitswelt: viele Jahre lang wurde dies vor allem unter dem Aspekt der mangelnden Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf die Arbeitswelt betrachtet - also unter einer einseitigen Defizitperspektive: nämlich auf die jungen Leute, und weiter: auf die Schule, auf das Elternhaus, auf die Milieus. Das Aufnahmesystem Betrieb blieb weitgehend unhinterfragt: Die Anforderungen sind so wie sie sind; die bestehende betriebliche Praxis ist der Maßstab. 

Tatsache ist mithin: Berufsausbildung ist nicht ausreichend geöffnet für die Vielfalt der jungen Leute: Vielfalt in Hinblick auf schulische Leistungen, auf Haltungen und Interessen, auf unterschiedliche Herkunftsgeschichten und auch im Blick auf Gender. In der pädagogischen Fachsprache: Heterogenität. 

Das Jahresforum 2016 unserer Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative2 fand vor wenigen Wochen in Weinheim und Mannheim statt. 

Die Arbeitsgemeinschaft ist ein Zusammenschluss von Städten und Kreisen, die bildungsaktiv sind, Übergänge gestalten, Kommunale Koordinierung für einen tragfähigen Ansatz halten und zu jenen gehören, die immer wieder durch die Weiterentwicklung guter Praxis auffallen. Von denen ,die sich auf dieser Konferenz am „Markt der Ideen“ beteiligen, ist Freiburg Mitglied der Arbeitsgemeinschaft, aber zum engeren Kreis derjenigen, die immer mal wieder Kontakt gehalten und ab und an mit einer Mitgliedschaft sympathisiert haben, gehören auch Mülheim an der Ruhr, Offenbach und München. 

Eine wesentliche Einsicht und ein wichtiges Thema der kritischen Bilanz, die auf dem Jahresforum gezogen wurde – und zu der auch Tilly Lex mit den Ergebnissen der Münchner DJI-Studie beigetragen hat, wurde in der Presse so zusammen gefasst: „Benachteiligung hartnäckiger als gedacht“. 

Ich bin bei meinem Thema angekommen. 

Bildungsübergänge: riskante Strecken? 

Viele Initiativen und Aktivitäten „vor Ort“ setzen an den Übergängen an, die das Bildungssystem aufweist: von der vorschulischen Bildung in die Grundschule, von der Grundschule in die Sekundarschule und später in die gymnasiale Oberstufe, von der Schule in die Berufsausbildung. Dass diese Übergänge als risikoreich erscheinen und oftmals auch sind, gehört zu den Merkmalen eines stark gegliederten und erheblich selektiven Bildungssystems. Das bedeutet: Übergänge sind vor allem Klippen für Kinder und Jugendliche, in deren Lebenswelt schulisches Lernen weniger gefördert wird oder gefördert werden kann und/oder die mit der Abstraktheit der schulischen Leistungsanforderungen erhebliche Schwierigkeiten haben. Ich vermeide hier ausdrücklich den Begriff „bildungsferne Milieus“, weil ich von einem breiten Verständnis von Bildung ausgehe, von dem schulisches Lernen nur ein – wenn auch wichtiger – Teil ist. 

Schule-Ausbildung: ein besonderer Übergang 

Der Übergang von der Schule in die Ausbildung ist insofern ein besonderer Übergang, als die Ausbildung auf der Basis eines Ausbildungsvertrags erfolgt, der einem Arbeitsvertrag ähnelt. Partner sind also nicht öffentliche Bildungseinrichtungen, sondern privatrechtlich aufgestellte Betriebe. Diese entscheiden, ob und wie viel und in welchen Berufen sie ausbilden und wem sie einen Ausbildungsvertrag geben, und zwar nach Kriterien, die sie - vor dem Hintergrund der Anforderungen aus Ausbildungsordnungen und gesetzlichen Bestimmungen, wie z.B. Jugendarbeitsschutz – festlegen. Die zentrale Stellung der auswählenden Betriebe ist also das Besondere an diesem Übergang. Kommunale Koordinierung im Übergang Schule-Arbeitswelt muss diese Tatsache zum Ausgangspunkt ihrer Aktivitäten nehmen. 

Bislang geschah dies vor allem in der Weise, dass über eine verbesserte Berufsorientierung und Beratung Jugendliche auf die Welt der Ausbildung und der Betriebe, so, wie sie sind, vorbereitet wurden. Es wurde also letztlich, insbesondere bezogen auf Jugendliche in Risikolagen, mit Defizitannahmen operiert (Stichwort: fehlende Berufsausbildungs-„Reife“/ fehlende Berufswahl-„Reife“).

Nun sind überall in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen worden, die Berufsorientierung zu verbessern und sie eng mit Praktika in Betrieben zu verknüpfen. Die Vorzeichen auf dem Ausbildungsmarkt haben sich verändert: heute werden Auszubildende gesucht, und dennoch - das war der Ausgangspunkt des zitierten Kommentars von Matthias Anbuhl – bleibt eine ziemlich große Gruppe von Jugendlichen ohne Ausbildung, obwohl viele von ihnen sich um einen Ausbildungsplatz bemüht haben. Besonders betroffen sind hiervon wiederum Jugendliche mit Migrationsgeschichte, die überproportional „außen vor“ bleiben. 

Welches sind die Gründe? „Mangelnde Ausbildungsreife“: was sich dahinter verbirgt ist die Erwartung, dass das Risiko zu hoch sei, dass jene Jugendlichen in der Ausbildung und in der Abschlussprüfung scheitern. Es ist also - wenn man so will - ein Vermeidungsverhalten: nämlich die Vermeidung einer Fehlinvestition oder die Vermeidung eines zu großen Aufwands. Also: die Auswahl auf jene zu konzentrieren, von denen man erwartet, dass sie gut einschlagen, also vor allem auf jene, deren Merkmale man aus der Vergangenheit kennt und die bei den Auswahlprozeduren dann im Vordergrund stehen. Notfalls lässt man dann einen Ausbildungsplatz unbesetzt. 

Wie steht es um die (pädagogische) Ausbildungsqualität? 

Das ist ein ganz erstaunlicher Tatbestand: Gehört doch zu den festen Überzeugungssätzen vor allem auch der Vertreter des „Dualen Systems“ das enorme Bildungs- und Sozialisations-Potenzial berufspraktischen Lernens, nicht unter schulischen, sondern unter sogenannten Ernstbedingungen. De facto scheint es aber erhebliche und für die Jugendlichen folgenreiche Zweifel an der pädagogischen Leistungsfähigkeit dualer Bildung zu geben. Die Ausgrenzungspraxis kritisiert heftig manche Postulate aus Sonntagsreden. 

Oftmals wird von Betriebsseite darauf hingewiesen, dass man die Jugendlichen in der betrieblichen Ausbildung schon hinkriege, dass sie aber in der Berufsschule scheitern würden. Das heißt aber nichts anderes: die beiden Lernorte stehen nebeneinander anstatt sich pädagogisch systematisch aufeinander zu beziehen. 

Die tatsächliche Öffnung der Berufsausbildung für jene, die bisher abseits gestanden haben, gehört gegenwärtig zu den zentralen Herausforderungen – und muss von daher Thema und Gegenstand des kommunalen Bildungsmanagements/der Kommunalen Koordinierung sein3

Warum ist dies so wichtig? 

  • Erfolgreiche Berufsausbildung und gelingender Einstieg in eine Fachbeschäftigung als Basis für eine selbständige Lebensführung ohne dauerhafte staatliche Transferleistungen
  • Viel ist in Berufsorientierung investiert worden und hierbei gibt es reale Fortschritte. Wir alle wissen: es ist nicht leicht, dass Jugendliche, die arbeitsweltfern oder in Milieus, in denen schwere Arbeit noch nicht einmal ausreichend Lohn abwirft, Interesse an einem Beruf gewinnen, sich kümmern und bewerben. KEINE AUSBILDUNG zu erhalten, untergräbt dieses Interesse und das Gefühl, nicht dazu zu gehören, bestätigt sich erneut. Und diese Negativbotschaften breiten sich aus: in den Familien, in den Schulklassen und den Freundeskreisen. Das sind verheerende Effekte. 

Drei Felder, die positiv im Sinne einer wirksamen Öffnung von Ausbildung für jene sind, die bislang abseits gestanden haben, müssen gestaltet werden: 

  •  Werbung, Ansprache und eine systematische Abfolge von Betriebspraktika müssen sich auf die tatsächliche Vielfalt orientieren,
  •  Auswahlverfahren und Einstellungsentscheidungen müssen unter dem Gesichtspunkt der Öffnung von Zugangschancen überprüft und verändert werden,
  •  Das Lernen in der Berufsausbildung muss pädagogisch auf Vielfalt ausgerichtet werden; insbesondere auch im Sinne einer Neujustierung der pädagogischen Kooperation zwischen den Lernorten Betrieb und Berufsschule. 

Die Kommunale Koordinierung kann sich also - wie dieses Beispiel zeigt - pädagogischen Fragen nicht verschließen, sondern muss vor Ort Arbeitsformen anregen und betreiben, die einen Beitrag zu einer pädagogischen Innovation leisten4.

Gelingende Bildungsbiografien als Ziel

Eine Beschränkung auf Berufsorientierung greift aber zu kurz. Aus Gründen der Fachkräftesicherung, aber auch der Motivierung jener jungen Leute, die befürchten, dass sie sowieso von den Betrieben nicht in Ausbildung genommen werden, ist entscheidend: Gut ankommen in Ausbildung und Arbeitswelt. Die konzeptionelle und praktische Aufmerksamkeit muss also die "Schwelle" des Ausbildungseinstiegs im Blick haben und überschreiten und sich auch auf die Sicherung erfolgreicher Ausbildungsprozesse richten.

Themen und Partnerschaft der lokalen Verantwortungsgemeinschaft müssen also erweitert werden: zu dieser erweiterten Partnerschaft gehören Ausbildungsbetriebe und Berufsschulen, die Agenturen für Arbeit und die Jobcenter, Beratungs- und Unterstützungseinrichtungen, die sich vor allem an junge Erwachsene auf deren Weg in eine selbständige Lebensführung richten, und die neuen Jugendberufsagenturen. Denn die Jugendberufsagenturen werden vor allem mit jenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu tun haben, die nicht weiter zur Schule gehen und zunächst den Weg in eine Ausbildung nicht gefunden haben oder dieser ihnen nicht ermöglicht wurde.

Ja: Übergänge gehören zu den riskanten Strecken in Bildungsbiografien. Aber: Vieles, was dort schief gehen kann, hat auch damit zu tun, was zwischen den Übergängen passiert, also im jeweiligen pädagogischen Geschehen. Es kommt also vor allem darauf an, welche pädagogische Qualität das "normale" Lehr-Lern-Geschehen in den Bildungseinrichtungen hat und wie dies durch Partnerschaften ergänzt, vertieft und erweitert wird. Dem Ganztag kommt hier eine besondere Bedeutung zu, aber auch der Einbettung der Schulen als Bildungs- und Begegnungszentren in den Quartieren, wo sie angesiedelt sind. Es ist also nicht abwegig, sondern plausibel, Bildungsqualität zu einem kommunalen Thema zu machen.

Insgesamt ginge es also nicht nur um die Gestaltung von Übergängen, sondern um eine systematische Förderung gelingender Bildungsbiografien. Daran müssen Kommunen ein starkes Interesse haben.

Bildung auch als kommunale Herausforderung: Wieso eigentlich?

Ist Bildung überhaupt eine kommunale Gestaltungsaufgabe? Formal betrachtet, sind im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland die Länder für Bildung zuständig, jedenfalls für die schulische Bildung und hier insbesondere für das, was an Bildung geschieht und wer unterrichtet. Lediglich bei der "äußeren" Schulträgerschaft, also bei der Schulplanung, bei den Gebäuden, der Infrastruktur und ihrer Pflege kommen die Kommunen ins Spiel. Anders ist dies bei der außerschulischen Bildung - aber im Kernbereich der verfassten Allgemeinbildung ist dies so wie skizziert.

Jenseits der formalen Zuständigkeiten ist aber unbestreitbar, dass die Kommunen ein Interesse an gelingenden Bildungsbiografien haben und haben müssen. Vor zehn Jahren, als die Arbeitsgemeinschaft gegründet wurde, wurde dieses Interesse hauptsächlich negativ bestimmt: nämlich in dem Sinne, dass misslingende Bildungsbiografien den Kommunen "vor die Füße fallen". Gemeint waren damit die sozialen Folgen misslingender Bildungsbiografien, also unsichere Beschäftigung, Sozialkosten, Störungen im sozialen Zusammenhalt. Zudem erwarten die Eltern, dass dort, wo sie wohnen, wo ihre Heimat ist, ihre Kinder auch gut aufwachsen 6 können. Zu dem sozialen Motiv kommt also die Verantwortung für die Kinder und Jugendlichen hinzu. Darüber hinaus wird Bildung immer stärker auch als ein Standortfaktor erkannt, der für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zukunft der Kommune wichtig ist. Dieses mehrfache kommunale Interesse an gelingenden Bildungsbiografien macht, dass den Kommunen nicht gleichgültig sein kann, was in den Bildungsprozessen geschieht, also, ob sie alle Kinder und Jugendlichen mitnehmen und motivieren und was an Kompetenzen und Haltungen am Ende herauskommt. Aus Sicht der Kommunen wird die scharfe Trennung zwischen äußerer und innerer Schulträgerschaft also zunehmend fragwürdig.

Zugleich hat sich in den letzten Jahren die Rolle der Städte und Kreise im Feld der Bildung tatsächlich verändert: Was vor zehn Jahren noch die Initiative einiger weniger bildungsaktiver Städte und Kreise war, nämlich eine aktive koordinierende Rolle, ist heute immer mehr Bestandteil von Förderprogrammen aus Bund und Ländern, oder bereits zu einem strukturellen Bestandteil neugestalteter landesweiter "Systeme" des Übergangs von der Schule in die Arbeitswelt geworden. Dies gilt insbesondere für Nordrhein-Westfalen ("Kein Abschluss ohne Anschluss"), aber in eingeschränkterer Form auch für Baden-Württemberg und für den Freistaat Sachsen.

Dieser faktischen Aufwertung der Kommunen im Feld des Übergangs von der Schule in die Arbeitswelt und von Bildung insgesamt hat aber rechtlich noch keine Entsprechung gefunden und hat insofern kein Eigengewicht, sondern ist von Förderprogrammen abhängig. Haushaltsrechtlich bleibt Kommunale Koordinierung eine freiwillige Leistung und deswegen vor allem in Zeiten kommunaler Haushaltsnot immer bedroht. Von "gleicher Augenhöhe" zwischen Land und Kommunen im Feld von Bildung sind wir noch weit entfernt.

Die kommunalen Initiativen im Feld der Gestaltung von Bildungslandschaften, die in den letzten Jahren entstanden sind, speisen sich also aus Sorge und Gemeinwohlverpflichtung. Diese und demokratische Wahlen legitimieren die politischen Spitzen der Städte und Kreise wie keinen anderen lokalen oder regionalen Akteur, bei der Gestaltung von Bildungslandschaften eine federführende, koordinierende Rolle einzunehmen. Hieraus leitet sich die Idee der Kommunalen Koordinierung ab. Das heißt aber nicht, dass die Städte und Kreise "monopolistisch" alles an sich ziehen, im Gegenteil: das Zusammenwirken aller Akteure, die im Bildungsbereich tätig sind, ist unverzichtbar. Lokale Verantwortungsgemeinschaften und Kommunale Koordinierung gehören konzeptionell untrennbar zusammen und dies sollte auch in der Praxis so sein. Lokale Verantwortungsgemeinschaften sind die Kernstruktur der Bildungslandschaften.

Kommunale Koordinierung: eine einleuchtende Idee, die nicht leicht umzusetzen ist

Alle Erfahrungen zeigen5: Kommunale Koordinierung ist eine einleuchtende Idee, die nicht leicht umzusetzen ist. Vieles hängt davon ab, wie sie sich "positionieren" kann, sowohl im Inneren der kommunalen Verwaltungen als auch nach außen.

Nach "außen" ist die Situation der Kommunalen Koordinierung vor allem dadurch bestimmt, dass sie es mit Partnern zu tun hat, die jeweils einen eigenen rechtlichen und faktischen Kontext und eine eigene, von der Kommune formal unabhängige Aufgabenstellung haben. Die Zusammenarbeit basiert also auf Freiwilligkeit und Einsicht in Sinn und Notwendigkeit und kann durch die Autorität und Legitimität der jeweiligen kommunalen politischen Spitze initiiert und befördert werden. Die "Kunst" der Koordinierung besteht also darin, über Vereinbarungen die Schnittflächen gemeinsamer Interessen und gemeinsamen Handelns zu definieren und womöglich auszuweiten. Koordinierung ist also eine besondere Form von Steuerung, nämlich "Steuerung über Vereinbarungen und über das Vertrauen in ihre Einhaltung". Verbindlichkeit wird damit zum Schlüsselbegriff der externen Kooperationen, also der lokalen Verantwortungsgemeinschaft.

Nach "innen", also in die Verwaltungen hinein, ist die Lage der Koordinierung zuweilen unbequemer als zu den externen Partnern. Es geht nämlich um eine Art Querkoordinierung zwischen verschiedenen Abteilungen und Verwaltungseinheiten, vor allem auf der Arbeitsebene, aber durch die Leitungen unterstützt. Die Verwaltungen sind aber in Aufbau und Entscheidungsprozessen vertikal hierarchisch strukturiert, Kooperationen laufen traditionell über die "Spitzen", was stets zu Engpässen oder "Flaschenhals"-Problematiken führt. Fachliche Querkoordinierung ist eher unüblich, aber im Fall der Bildungskoordinierung unabweisbar.

Wie die "Kommunale Koordinierung" voran kommt, hängt also in erheblichem Maße von ihrer Rolle und ihrem Gewicht im kommunalen Organisationsgeschehen gab. Hier sind über die Jahre verschiedene Modelle herausgearbeitet worden: Stabsstellen oder Abteilungen, Unterabteilungen oder Auslagerungen... In jedem Fall bleibt es für die Kommunale Koordinierung wichtig, einen möglichst direkten und wenig verstellten Zugang zur kommunalen Spitze zu haben. Ob dies der Fall ist oder nicht, wird wiederum stark dadurch beeinflusst, wie die Arbeit der Koordinierung kommunalpolitisch gerahmt ist und welche Priorität Bildung im Rahmen der Kommunalpolitik genießt. Von daher ist es wichtig, dafür Sorge zu tragen, dass Bildung und damit auch die Arbeit der Koordinierungsstelle regelmäßig Gegenstand von Beratungen in den Stadträten bzw. Kreistagen ist. Handlungskonzepte oder Masterpläne, die von der Verwaltung vorbereitet und politisch verabschiedet werden, sind als Rahmen nicht nur nützlich, sondern sie transportieren auch das Thema Bildung in die politische Öffentlichkeit "vor Ort".

Die Ausgangsposition für Kommunale Koordinierung aber war: Niemand darf zurück bleiben. Für eine erfolgreiche Gestaltung lokaler und regionaler Bildungslandschaften bleibt als unabweisbares Kriterium, was mit jenen Kindern und Jugendlichen passiert, die sich in Risikolagen befinden und vom Scheitern ihrer Bildungsbiografien bedroht sind. Hier sind nun auch die jungen Geflüchteten einzuschließen, deren Recht auf Bildung unteilbar und unaufschiebbar ist.

Schließlich ist ein weiterer Zusammenhang unabweisbar: Bildung und gelingende Bildungsbiografien stärken die Demokratie und: Bildung ist niemals nur Zweckbildung, sondern muss immer auch an der gedeihlichen Entwicklung der Persönlichkeiten und des respektvollen und demokratischen Zusammenlebens ausgerichtet sein. Kommunale Koordinierung und lokale Verantwortungsgemeinschaft bei der Gestaltung von Bildungslandschaften "vor Ort" ist also immer mehr und etwas anderes als Management.

1 Dr. Wilfried Kruse, bis 2012 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Sozialforschungsstelle Dortmund, ist Koordinator der Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative.
2 Vergl.: Berichte und Dokumentation Jahresforum
3 Vergl. hierzu auch: Wilfried Kruse 2013: Lokale Berufsbildungspolitik? In: Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative (Hrsg.): Lokale Bildungsverantwortung. Kommunale Koordinierung beim Übergang von der Schule in die Arbeitswelt, Stuttgart, S. 32ff
4 Die Arbeitsgemeinschaft wird dies in einem JahresforumExtra "Vielfalt in der Ausbildung" unter besonderer Berücksichtigung der Öffnung von Ausbildung für Jugendliche mit Migrationsgeschichte aufnehmen, das für Dezember 2016 in Berlin geplant ist.
5 Vergl. hierzu und zum Konzept "Kommunale Koordinierung" insgesamt: Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative (Hrsg.) 2013: Lokale Bildungsverantwortung. Kommunale Koordinierung beim Übergang von der Schule in die Arbeitswelt, Stuttgart 

Dieser Beitrag (als PDF zum Herunterladen) mit dem Titel „Übergangsmanagement als Aktionsfeld des kommunalen  Bildungsmanagements“ betont die Bedeutung von Ausbildungsqualität und verweist damit auch auf das Jahresforum Vielfalt in der Ausbildung.