Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative

Die Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative ist ein Zusammenschluss von über 20 Städten und Landkreisen und zahlreichen weiteren Akteuren. Sie steht für Konzept und Praxis Kommunaler Koordinierung bei der Gestaltung der Übergänge Schule – Arbeitswelt „vor Ort“.  Die Arbeitsgemeinschaft sieht für sich zwei zentrale, miteinander eng verbundene Aufgaben: sich „anwaltschaftlich“ für die Anerkennung von Kommunaler Koordinierung und gute und förderliche Rahmenbedingungen einzusetzen, und die fortlaufende Verbesserung der lokalen Praxis zu unterstützen.

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Wirksamkeit Kommunaler Koordinierung

Positionierung, 23.02.2010

Das Land als Partner für die kommunale Koordinierung des Übergangs Schule – Arbeitswelt

 

Partnerschaft „auf gleicher Augenhöhe“

Die Gestaltung des Übergangs Schule-Arbeitswelt berührt in verschiedener Hinsicht erheblich die Beziehungen zwischen dem Land und den im Land ansässigen Städten und Landkreisen; vor allem in der Bildungspolitik, aber mit erheblichen Schnittmengen zur Arbeits(markt) –und Beschäftigungspolitik, zur Sozial- und Integrationspolitik und zur Wirtschafts- und Regionalentwicklungspolitik.
Die Art und Weise, wie sich die Übergangsproblematik heute stellt, macht eine Partnerschaft zwischen Land und Kommunen „auf gleicher Augenhöhe“ erforderlich; und dies, obwohl sich die Kommunen im föderalen Gefüge in vielfältiger Abhängigkeit von den Ländern befinden.


„Gleiche Augenhöhe“ meint in diesem Zusammenhang vor allem die Anerkennung der besonderen Verantwortung der Kommunen bei der Gestaltung des Übergangs Schule-Arbeitswelt, auch jenseits der formalen Unterscheidung zwischen innerer und äußerer Schulträgerschaft, und die ausgehandelte faire und förderliche Ausgestaltung der landeseitig beeinflussbaren Rahmenbedingungen für „kommunale Koordinierung“.

Dem Prinzip „Gleiche Augenhöhe“ widersprechen Programmförderungen, die landesseitig die Gewährung von Fördermitteln für kommunale Koordinierung oder sogenanntes Übergangsmanagement von unausgehandelten, einseitig gesetzten Förderkriterien abhängig macht.

 

Ziele & Interessen, Wirksamkeit & Gleichwertigkeit

Kommunale Übergangsgestaltung unter landesseitig gesicherten förderlichen Rahmenbedingungen kann an einen gemeinsamen politischen Zielkatalog gebunden werden, der Meilensteine oder Qualitätskriterien kennt, und in dessen Verfolg Wirksamkeit evaluiert wird. Hierzu liegen eine Reihe von Vorschlägen zu Instrumenten, Verfahren und Berichtssystemen vor.

Dem Prinzip „Gleiche Augenhöhe“ folgt, dass die Vereinbarungen zu Zielen, Meilensteinen, Qualitätsstandards, zur Evaluation und Berichterstattung gleichermaßen für die Kommunen wie für die beteiligten Landesministerien bzw. deren fachlich zuständige Einheiten gelten. Ein solcher integrierter Ansatz würde die korrespondierenden Wirkungen in einem „Mehrebenensystem“ angemessener zeigen. Zugleich würden bei Anerkennung lokaler Profilbildungen jene Gemeinsamkeiten entwickelbar werden, die zu der vom Land zu sichernden
landesweiten Gleichwertigkeit führen.

Spezifische lokale Standortinteressen und die Berücksichtigung von sozial- und wirtschaftsstrukturellen Besonderheiten, lokalen Traditionen und Kulturen bliebe damit zur landesweiten Entwicklungspolitik unter dem Aspekt der Gleichwertigkeit der Lebens (und ergo auch Bildungs-) Chancen vermittelbar.

 

Fokus Benachteiligung & Allgemeine Überganggestaltung

Bei vielen Kommunen war die Sorge darum, dass „keine und keiner zurückbleibt“, Ausgangspunkt des Engagements. Mittlerweile hat sich bei den dortigen Städten und Landkreisen aber ein Verständnis von Übergangsgestaltung durchgesetzt, in dem diese sich nicht nur, aber auch auf Benachteiligte bezieht, sondern auf alle Jugendlichen in einem biografisch längeren Übergangsprozess. Grund legend hierfür ist die Auffassung, dass – auf der einen Seite – die Auflösung der „klassischen Übergangswege“ und zunehmende Unsicherheit am Übergang
tendenziell alle betrifft und – auf der anderen Seite – optionsreiche Übergangsverläufe für alle als Teil der lokalen Bildungsqualität zu einem immer wichtigeren Standortfaktor wird.

Zugleich wurde deutlich, dass es nicht sinnvoll ist, vor Ort zwei parallele „Management“- oder „Koordinierungs“- Kreise zu unterhalten, nämlich einen für Benachteiligte und einen für alle (anderen). Für die Arbeitsgemeinschaft folgt hieraus, mit dem Konzept „Fokus Benachteiligung“ umzugehen, also alle Aktivitäten der Übergangsgestaltung unter dem Aspekt von Benachteiligung (ihrer Entstehung, Verfestigung, ihrer Entschärfung und Auflösung) zu beleuchten.

Es versteht sich, dass ein so verstandener Fokus „Benachteiligung im Übergang Schule-Arbeitswelt“ Anschlüsse zu einer generellen Fokussierung von Benachteiligung hat, die die Kommunen für alle ihre Handlungsfelder vornehmen müssten und die z.B. zu einer Neubewertung von Sozialamt bzw. Jugendsozialarbeit als Kompetenzzentren für Benachteiligung führen müsste.

 

Fokus Migration

Ähnliches wie für den „Fokus Benachteiligung“ gilt für das Feld „Migration/Integration“, dem aus verschiedenen Gründen sowohl auf Landes- als auch auf kommunaler Ebene gegenwärtig eine hohe Priorität eingeräumt wird. Hierbei ist aber insbesondere zu beachten, dass dem Migrationsstatus nicht a priori und dauerhaft Soziale Benachteiligung als Merkmal eingeschrieben ist. Vielmehr ist Benachteiligung ein kumulativer sozialer Prozess, in dem Migrantsein unter bestimmten Umständen ein erheblicher Risikofaktor sein kann, insbesondere auch unter Aspekten von „institutioneller Diskriminierung“.

 

Arbeitsteilung & Kooperation

Wenn die konventionellen Beziehungen zugunsten „gleicher Augenhöhe“ transformiert werden sollen, dann ginge es im Feld der Gestaltung des Übergangs Schule-Arbeitswelt nicht darum, dass die Kommunen landespolitische Vorgaben exekutieren, sondern dass gemeinsam geklärt wird, welche Aufgaben welche Ebene arbeitsteilig wahrnehmen kann/sollte, um zu den gewünschten Wirkungen in landesweiter Gleichwertigkeit & in sinnvollen lokalen Profilierungen
zu gelangen.


Die Aufgaben der beiden Ebenen sind nicht identisch, sondern korrespondieren miteinander fachlich und politisch. Kooperation ist kein Selbstzweck, sondern dient der wechselseitigen Verstärkung der gewünschten Wirkungen, in diesem Fall einer zukunftsfesten und optionsreichen Gestaltung lokaler Übergangsysteme.

 

Entwicklungspartner & Übergangs/Bildungspartner

Um eine neue Form gemeinsamer Übergangs- und Bildungsverantwortung zwischen Land und Kommunen zu etablieren, sollte deren Vorbereitung und Aufbau zweckmäßiger Weise in Form einer Entwicklungspartnerschaft erfolgen. Diese nimmt Prinzipien von „gleicher Augenhöhe“ bereits in Projektform vorweg.

Entwicklungspartnerschaft und Programmförderung lassen sich insofern kombinieren, als über Förderziele, -grundsätze und -kriterien im Vorfeld eine gemeinsame Klärung herbeigeführt wird und Mechanismen des gemeinsamen partnerschaftlichen „Controlling“ entwickelt werden.

„Gleiche Augenhöhe“ bedeutet auch, dass - im Unterschied zur klassischen Programmförderung, die nach dem Prinzip „Leistung gegen Fördermittel“ erfolgt – sich beide Partner nicht nur zu korrespondierenden Aufgaben verpflichten, sondern die Aufgabenerledigung auch wechselseitig über „Meilensteine“ transparent gemacht und gemeinsamer „Aufgabenkritik“ zugänglich gemacht wird.

Hierzu bedarf es eines Instrumentariums, in dessen Zentrum eine Art Aufgabenmatrix stehen müsste, die nach Aufgabentypen und einer zeitlichen Stufenabfolge gegliedert ist, die auf beiden Seiten einer Mittelachse im Aufbau identisch sind. In die eine der damit entstehenden Hälften oder Flügel der Matrix sind die lokalen Aufgaben, in die andere die Landesaufgaben eingetragen, so dass die verschiedenen miteinander korrespondierenden Aufgaben in einer Zeiteinheit (Meilensteine) „auf einen Blick“ erfasst werden können. Die Mittelachse repräsentiert das Begegnungsfeld zwischen der lokalen und der Landesseite.

Kooperationsvereinbarungen sollten diese neue Form der Zusammenarbeit in eine „Form“ bringen; sie haben vor allem die Verfahren von Abstimmung und Entscheidung zum Gegenstand und dienen vor allem im Erprobungsstadium zur Verfahrenssicherheit. Sie können Schritt für Schritt weitere Regelungsgegenstände, wie z.B. auch die Art und Weise der Ko-Finanzierung, mit aufnehmen und damit Grundlagen der Funktionsweise für den Regelbetrieb vorbilden.

Haushaltskrise, Finanzierung, „freiwillige Leistungen“ und Kommunalaufsicht

Die Krise der Kommunalen Haushalte setzt die Städte und Landkreise unter einen enormen Einsparungszwang; die Kommunalaufsicht setzt, wenn sie bei der Genehmigung der kommunalen Haushalte ins Spiel kommt, den Hebel insbesondere bei den sogenannten „freiwilligen Leistungen“ an, also bei sich immer mehr verengenden Teil von aus dem kommunalen Haushalt (mit-)finanzierten Aktivitäten, bei denen die Städte und Landkreise eigene Gestaltungshoheit
haben. Haushaltsrechtlich formal betrachtet, gehört bis heute „Kommunale
Koordinierung“ oder „Übergangsmanagement“ zu den sogenannten freiwilligen Leistungen. De facto aber sind sie es nicht.

Deshalb spricht die Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative in ihrer „Nürnberger Erklärung“ von Kommunaler Koordinierung im Übergang Schule – Arbeitswelt“ als einer „politischen Pflichtaufgabe“ . Um Kommunale Koordinierung in schwierigen Zeiten sichern zu können, bedarf es also einer Übereinstimmung in dieser Sichtweise bei den kommunalen Spitzen und den Kommunalparlamenten ebenso wie bei der Kommunalaufsicht und der für die Kommunalaufsicht zuständigen Behördenebenen, und letztlich auch beim Landtag.

 

Kooperative Finanzierung jenseits der Konnexität

Wenn „Konnexität“ ganz vereinfacht „Wer bestellt bezahlt“ bedeutet, dann trifft dies auf den Sachverhalt „Lokale Übergangsgestaltung“ mit seinem institutionellen Kern der Kommunalen Koordinierung vermutlich deswegen kaum zu, weil es sich um einen neuen Sachverhalt handelt, für den Zuständigkeit bislang nicht bzw. nicht eindeutig festgelegt ist.

Die hohe Schnittmenge gemeinsamer Interessen von Kommunen und Land an „Lokaler Übergangsgestaltung“ legt es nahe, auch in der Finanzierung der Kommunalen Koordinierung neue Wege einer angemessenen Ko-Finanzierung zu suchen. Aber auch hier gilt: auch hierbei müssten die bisher eingeschlagenen Wege der Förderung verlassen werden, die die Bewilligung einer Förderung einer vorab vom Fördergeber definierten Aufgabe von einer Ko-Finanzierung durch den Förderempfänger abhängig machen. Diese asymetrische Form der Ko-Finanzierung wäre durch eine Form der ausgehandelten Vereinbarung zu ersetzen, die Aufgaben, Aufgabenerledigung und Finanzierung als ein zusammenhängendes Paket in einem
gemeinsam verantworteten Vorhaben begreift.

 

Vom Projekt zur Regel, Programme, Beschlüsse und Gesetze

Nachhaltige Wirkungen sind nur zu erreichen, wenn Kommunale Koordinierung in schlanker, aber ausreichend funktionsfähiger Institutionalisierung zu einem Regelelement wird. Hierzu bedarf es nach ausreichender Erprobung auch legaler Grundlagen und zwar sowohl, was den zu institutionalisierenden Kern betrifft, als auch, was die Handlungsfähigkeit der Kommunalen Koordinierung bzw. des Lokalen Übergangsmanagements betrifft.

Zur Handlungsfähigkeit gehört z.B. auch, dass die Schulen auf dem Erlasswege dazu angehalten werden, mit sich in Hinblick mit ihren einzelschulischen Übergangsmanagement der Kommunalen Koordinierung aktiv zuzuordnen, usw. Dies ist angesichts vielfältiger Veränderungen vor allem in der Sekundarschullandschaft gerade jetzt sehr aktuell. Kommunale Koordinierung bzw. Lokales Übergangsmanagement ist, wenn sie strukturell dauerhaft verankert werden soll, auf dem „Verwaltungswege“ allein nicht etablierbar. Deshalb appelliert
die „Nürnberger Erklärung“ der Arbeitsgemeinschaft auch ausdrücklich an die kommunalen Parlamente und an die Landtage.

Partnerschaft zwischen Land & Kommunen: Closed Shop oder „Rahmen“ für Kooperationsnetze?

Gemeinsame Verantwortung von Kommunen & Land für lokale Übergangsgestaltung in landesweiter Gleichwertigkeit schließt weitere Partner nicht aus, sondern lädt sie nachdrücklich zur Kooperation ein. Denn ohne die Agentur für Arbeit, die ARGEs und Optionen, die Kammern und Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften, die Betriebe, ohne kompetente Träger und bürgerschaftliches Engagement ist die dauerhafte Aufgabe einer optionsreichen Gestaltung
der Übergänge Schule-Arbeitswelt für alle nicht zu bewältigen. Hierfür müssen angemessene und verbindliche Kooperationsformen entwickelt bzw. konsolidiert und zukunftsfest gemacht werden.


Die Partnerschaft zwischen Kommunen & Land ist aber insofern Grund legend, als sie die öffentliche Verantwortung in diesem wichtigen Feld der Zukunftssicherung vor allem auch Koordinierungs- und Flankierungs- Verantwortung zum Ausdruck bringt, und dies ohne einen monopolistischen Anspruch, sondern nach dem Prinzip, jenen zu ermöglichen, ihre Arbeit gut zu machen, die diese professionell besonders gut verstehen.