Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative

Die Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative ist ein Zusammenschluss von über 20 Städten und Landkreisen und zahlreichen weiteren Akteuren. Sie steht für Konzept und Praxis Kommunaler Koordinierung bei der Gestaltung der Übergänge Schule – Arbeitswelt „vor Ort“.  Die Arbeitsgemeinschaft sieht für sich zwei zentrale, miteinander eng verbundene Aufgaben: sich „anwaltschaftlich“ für die Anerkennung von Kommunaler Koordinierung und gute und förderliche Rahmenbedingungen einzusetzen, und die fortlaufende Verbesserung der lokalen Praxis zu unterstützen.

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Weinheimer Erklärung 2007

Weinheim, 31.05.2007

Lokale Verantwortung für Bildung und Ausbildung. Eine öffentliche Erklärung.

Zusammenfassung

1998 legte ein von der Freudenberg Stiftung initiiertes Forum „Jugend, Bildung, Arbeit“ ein Memorandum mit dem Titel „Wege aus der Ausbildungskrise“ vor. Wir schließen bewusst an dieses Memorandum an. Dort hieß es 1998:

„Jugendprobleme sind Schlüsselprobleme der Gesellschaft. Ausbildungs- und Chancenlosigkeit für junge Menschen darf es nicht geben und braucht es in einer entwickelten Gesellschaft nicht zu geben. Die öffentliche Verantwortung für die nachwachsende Generation hat Priorität.“

Auch heute - neun Jahre später - ist die Ausbildungskrise nicht beseitigt. Es wächst eine junge Generation heran, zu deren wichtigen Erfahrungen und Ängsten der Mangel an Ausbildung und beruflichen Perspektiven gehört. Öffentliche Verantwortung für Bildung und zukunftsfähige Ausbildung und Berufsperspektiven muss deshalb eingefordert werden.

Die Weinheimer Initiative 2007 ist eine Gruppe engagierter Expertinnen und Experten aus Kommunen, Betrieben, Stiftungen, Verbänden, Instituten und zivilgesellschaftlichen Projekten, die sich auf Anregung der Freudenberg Stiftung und unter Mitwirkung des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft zusammengefunden hat. Sie fordert, dass diese öffentliche Verantwortung für Bildung, Ausbildung und Zukunftsperspektiven – nicht nur, aber vor allem – durch Lokale Verantwortungsgemeinschaften und Kommunale Koordinierung wahrgenommen wird.

Die sieben Punkte umfassende Öffentliche Erklärung beschreibt und begründet diesen Ansatz ausführlicher. Die Initiative stützt sich dabei auf eine breite Palette von Erfahrungen mit lokalen Handlungsansätzen aus den vergangenen Jahren. Sie machen deutlich, dass Lokale Verantwortungsgemeinschaft und Kommunale Koordinierung ein Erfolg versprechender Weg sein können, wenn die Bereitschaft zu lokaler Kooperation besteht und gefördert wird und hierfür günstige Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Kurz gefasst sieht die Weinheimer Initiative 2007 Begründung und Aufgabenstellung dieses lokalen Handlungsansatzes so: Die Kommunen sind nach Art. 28 II Grundgesetz für „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ zuständig. Daraus ergibt sich eine grundsätzliche (Mit-) Verantwortung für die Sicherung der Berufs- und Lebensperspektiven der nachwachsenden Generationen.

Dies ist zugleich ein zentraler Beitrag für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zukunft der eigenen Stadt oder Region.

Sinnvollerweise erfüllen die Kommunen diese Aufgabe insbesondere durch kommunale Koordinierung aller Aktivitäten und Akteure, die am Übergang von der Schule in die Arbeitswelt und das Erwachsenenleben mitwirken. Sie schaffen auf diese Weise ein Übergangssystem mit einem entsprechenden „Management“, das jedem Jugendlichen einen perspektivreichen Weg in betriebliche oder schulische Ausbildung, weiterführende allgemeine Bildung oder andere Formen von Qualifizierung eröffnet. Diese kommunale Bildungspolitik muss eine Politik „aus einer Hand“ und sie muss transparent und nachvollziehbar sein.

Die Aufgaben der Lokalen Verantwortungsgemeinschaften für den „Übergang“ sind vielfältig:

  • Sie verhindern durch frühzeitig in der Schule einsetzende Förderung und durch präventive Maßnahmen, dass Jugendliche am Ende der Sekundarstufe I scheitern.
  • Sie sorgen dafür, dass junge Menschen am Ende der Sekundarstufe I über eine ihren Begabungen und Fähigkeiten entsprechende Bildungs- und Ausbildungsperspektive verfügen.
  • Sie setzen sich dafür ein, dass die Fähigkeiten der Jugendlichen, ihre eigene Perspektive aktiv „in die Hand zu nehmen“, gefördert werden.
  • Sie orientieren auf Stärken statt auf Schwächen.
  • Sie verdeutlichen den Jugendlichen aber auch, dass die örtliche Verantwortungsgemeinschaft Bereitschaft und Engagement der Jugendlichen selbst erwarten kann. Die Verantwortungsgemeinschaft schließt in diesem Sinne die Jugendlichen mit ein; es entstehen vom Grundsatz her gegenseitige Vereinbarungen mit Rechten und Pflichten auf allen Seiten.

Es geht letztlich darum, die Übergangssysteme vor Ort neu zu denken und gemeinsam neu zu gestalten.

Lokale Verantwortungsgemeinschaften bestehen aus:

  • den lokalen Mandatsträgern, d. h. den von den Bürgerinnen und Bürgern gewählten Repräsentanten der lokalen oder regionalen Gemeinschaft, allen voran den Bürgermeistern und Landräten,
  • den verschiedenen zuständigen Rats- bzw. Kreistagsausschüssen,
  • den Schulen, insbesondere - aber nicht nur - den Haupt- und Realschulen sowie den Beruflichen Schulen, die ihre Schülerinnen und nSchüler vor allem in den lokalen (Ausbildungs-) Markt entlassen,
  • den Jugendlichen und ihren Eltern und sonstigen engagierten Bürgerinnen und Bürgern,
  • Betrieben, insbesondere jenen, die aufgrund ihrer Größe und Stellung, aber auch aufgrund ihres Engagements eine besondere Verantwortung für die lokale Entwicklung tragen,
  • der Agentur für Arbeit und den Arbeitsgemeinschaften bzw. Options-Agenturen nach dem Sozialgesetzbuch II,
  • den kommunalen und freigemeinnützigen Trägern der Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und der Jugendberufshilfe nach SGB VIII
  • den Kirchen, Migrantenorganisationen, Gewerkschaften, Verbänden, Beratungseinrichtungen, Initiativen und Projekten, die sich für einen erfolgreichen Übergang von Jugendlichen in die Arbeitswelt und das Erwachsenenleben stark machen.

 

Sieben Eckpunkte der Öffentlichen Erklärung „Lokale Verantwortung für Bildung und Ausbildung“

Kommunale Koordinierung und Lokale Verantwortungsgemeinschaft gehören zusammen und bilden einen zentralen Ansatz, um Jugendliche in den Stand zu setzen, berufliche Perspektiven zu entwickeln und aussichtsreiche Schritte in die Arbeitswelt und das Erwachsenenleben zu unternehmen.

Kommunale Koordinierung und Lokale Verantwortungsgemeinschaft für die Gestaltung lokaler bzw. regionaler Übergangssysteme von der Schule in Ausbildung, Arbeit und Weiterlernen sind dauerhaft anzulegen. Denn es ist zwar durchaus erwartbar, dass sich konjunkturell und ggf. auch strukturell die besonders starken Schwierigkeiten beim Übergang in Ausbildung und Arbeitswelt, die die letzte Dekade charakterisierten, abschwächen. Nicht zu erwarten aber ist, dass die Übergänge leicht, unkompliziert und gesichert sein werden. Die einstmals „klassischen“ Wege des Eintritts in die Arbeitswelt oder in weiterführende Bildung haben sich ausdifferenziert: ein plurales lokal-regionales Nebeneinander von Übergangswegen ist heute Realität. Der Übergang muss – im Interesse der jungen Menschen, aber ebenso auch im Interesse am kreativen und kompetenten Potenzial der nachwachsenden Generation, an sozialem Zusammenhalt und lebendiger Demokratie - nunmehr neu gestaltet werden.

Für den Erfolg von Kommunaler Koordinierung und Lokaler Verantwortungsgemeinschaft gibt es einen harten Prüfstein: Jugendliche und junge Erwachsene, die in ihren Städten, Gemeinden und Kreisen zuhause sind, müssen vor Ort erfahren können, dass sich ihnen Zukunftsperspektiven eröffnen, dass Kommunale Koordinierung und Lokale Verantwortungsgemeinschaft ihnen nutzt bzw. dass sie diese sinnvoll nutzen können.

Um Kommunale Koordinierung und Lokale Verantwortungsgemeinschaft auf eine breite und solide Basis zu stellen und ihre kontinuierliche Weiterentwicklung zu sichern, hat sich die Weinheimer Initiative 2007 zusammengefunden und die folgende Öffentliche Erklärung verabschiedet.

Alle Beteiligten an der Weinheimer Initiative waren in den vergangenen Jahren in der einen oder anderen Weise an der Erprobung von Modellen kommunaler Koordinierung im Übergang zu Arbeitswelt und Erwachsenenleben beteiligt. Sie sind Zeugen Erfolg versprechender Aktivitäten, die in breiter und ausreichender Weise belegen: Kommunale Koordinierung und Lokale Verantwortungsgemeinschaft sind brauchbare und notwendige Strategien. Es ist möglich, Strukturen zum Nutzen junger Menschen leistungsfähig zu gestalten. Sie leiden jedoch regelmäßig unter mangelnder Verstetigung und zu geringen Ressourcen, sind in ihrer Koordinierungskompetenz vielfältig beschränkt, werden in den einschlägigen gesetzlichen und sonstigen Rahmenregelungen nicht angemessen platziert und insgesamt als eine zentrale integrative Strategie auf kommunaler Ebene zu wenig anerkannt.

Vorschläge zur durchgreifenden Verbesserung des Status von Kommunaler Koordinierung und Lokaler Verantwortungsgemeinschaft, zur Präzisierung ihrer Aufgaben, zu ihrer Verstetigung und Verbreitung sind deshalb Themen der vorliegenden Erklärung.

Wir richten uns damit

  • an Städte, Gemeinden und Kreise, die den Weg der Kommunalen Koordinierung noch nicht gehen, um sie hierzu zu ermuntern,
  • Organisationen, Verbände und alle einschlägigen Akteure im Übergang, mit dem Vorschlag, sich aktiv und positiv auf eine Kommunale Koordinierung zu beziehen,
  • an die Politik, durch positive Rahmensetzung und systematische Förderung Kommunale Koordinierung anzuerkennen und funktionsfähiger zu machen.

Nicht zuletzt handelt es sich auch um eine Vereinbarung unter den Initiatoren selbst, nämlich: gemeinsam daran zu arbeiten, dass die in aller Breite und vielfältig gesammelten Erfahrungen zu gesichertem Wissen über gute und brauchbare Formen und Verfahren Kommunaler Koordinierung und Lokaler Verantwortungsgemeinschaft werden, das von uns selbst genutzt und an andere weiter gegeben werden kann, damit das „Rad nicht immer wieder von Neuem“ erfunden werden muss.

Die Weinheimer Initiative 2007, die sich zu einer Arbeitsgemeinschaft erweitern möchte, könnte auf diese Weise zu einer Art „Wissenspool“ einer fortschreitenden Koordinierungsbewegung in gemeinsamer Verantwortung werden.

1998 legte ein von der Freudenberg Stiftung initiiertes Forum „Jugend, Bildung, Arbeit“ ein Memorandum mit dem Titel „Wege aus der Ausbildungskrise“ vor. Wir schließen bewusst an dieses Memorandum an. Dort hieß es 1998:

„Jugendprobleme sind Schlüsselprobleme der Gesellschaft. Ausbildungs- und Chancenlosigkeit für junge Menschen darf es nicht geben und braucht es in einer entwickelten Gesellschaft nicht zu geben. Die öffentliche Verantwortung für die nachwachsende Generation hat Priorität.“

Und in der abschließenden Empfehlung Nr. 20 wurde postuliert:

„Eine eigenständige kommunale Ausbildungspolitik ist unerlässlich. Die Kommune sollte die Verantwortung für die Koordinierung aller Maßnahmen vor Ort übernehmen.“

Heute - im Jahr 2007 - erklären wir: Viele Kommunen haben in den letzten Jahren Koordinierung Erfolg versprechend erprobt und es sind Lokale Verantwortungsgemeinschaften entstanden - nun geht es darum, sie zur Regel werden zu lassen.

1. Städte, Gemeinden und Kreise müssen der beruflichen und sozialen Integration Jugendlicher oberste Priorität einräumen. Innerhalb der kommunalen Verwaltungen und Einrichtungen muss gelten: Zuständigkeitsdenken wird durch gemeinsam wahrgenommene Verantwortung ersetzt.

Städte, Gemeinden und Kreise verleihen dieser Aufgabe dann Nachdruck, wenn sie die Kommunale Koordinierung der Aktivitäten zur beruflichen und sozialen Integration von junge Menschen mit hoher Priorität auf die Agenda setzen, es zur „Chef-Sache“ erklären und in den politischen Entscheidungsgremien hierzu beraten und beschließen. Diesem Erfordernis stehen heute nach wie vor erhebliche strukturelle Hemmnisse entgegen, die dringend abgebaut werden müssen.

Mit Kommunaler Koordinierung ist die kommunal verantwortete Bündelung und Abstimmung von Aktivitäten, die Herstellung von Transparenz und die Entwicklung und Anwendung gemeinsam vereinbarter Qualitätsstandards für den Bereich des Übergangs von der Schule in Beruf und Arbeitswelt gemeint. Hierfür wird heute immer häufiger die Bezeichnung „Lokales Übergangsmanagement“ verwendet.

Kommunale Koordinierung, wie sie hier vorgestellt wird, geht über formalen Informationsaustausch hinaus; sie bedeutet einen gemeinsamen zielgerichteten Arbeitsprozess aller beteiligten Akteure, der darauf ausgerichtet ist, dass die Jugendlichen und jungen Erwachsenen „vor Ort“ deutliche Verbesserungen ihrer Chancen und Optionen beim Navigieren im Übergang zur Arbeitswelt erfahren (können). Ziele, Qualitätsstandards und Erfolgskriterien müssen gemeinsam vereinbart, überprüft und veröffentlicht werden.

Wenn im Inneren der Kommunen das Zuständigkeitsdenken durch das Prinzip der gemeinsam wahrgenommenen Verantwortung ersetzt wird, bedeutet dies, die berufliche und soziale Integration männlicher und weiblicher Jugendlicher zur Querschnittsaufgabe zu machen und als solche zu koordinieren.

Dabei müssen Jugendliche, die besondere Berufsstartschwierigkeiten haben, in den Fokus genommen und gehalten werden. Unter den gegebenen Verhältnissen sind es vor allem Jugendliche mit Migrationshintergrund und Jugendliche mit negativen schulischen Lernerfahrungen, die besonderer Aufmerksamkeit bedürfen.

2. Die Koordinierung der beruflichen und sozialen Integration von Jugendlichen muss kontinuierliche und regelmäßige kommunale Aufgabe sein. Dabei wird es immer wichtiger, nicht nur Aktivitäten unmittelbar an den „Schwellen“ zu Arbeitswelt und Erwachsenenleben zu entfalten, sondern Kinder und Jugendliche frühzeitig in der Entwicklung von Fähigkeiten zu unterstützen und zu fördern, die es ihnen möglich machen, schwierige Übergänge zu meistern. Den Schulen wächst hierbei eine Schlüsselstellung zu.

Die Koordinierung aller Aktivitäten zur beruflichen und sozialen Integration von Jugendlichen - also: ein auf Ziele und Qualität orientiertes Lokales Übergangsmanagement - muss zur selbstverständlichen Regelaufgabe der Kommune werden. Die Erfahrung aus den letzten Jahren zeigt, dass bereits unter den gegebenen Rahmenbedingungen wirksame Schritte in Richtung einer Kommunalen Koordinierung gegangen werden können. Vorhandene Möglichkeiten und Spielräume werden aber oftmals nicht ausreichend genutzt; Richtlinien und Bestimmungen, die die lokale Handlungsebene bereits jetzt stützen, zu wenig in Anspruch genommen.

Allerdings sind die Rahmenbedingungen für Kommunale Koordinierung bei Weitem nicht optimal; sie müssen dringend verbessert werden. Städte, Gemeinden und Kreise benötigen, wo sich dies nicht bereits aus ihrer verfassungsmäßigen Stellung ableitet, den politisch-rechtlichen Auftrag für Koordinierung, die nötigen finanziellen Ressourcen und fachliche Unterstützung.

Die Kommunalen Spitzenverbände sind aufgefordert, in diesem Sinne nachdrücklich Positionen gegenüber den Gesetzgebern zu vertreten und ihre Mitglieder durch Handreichungen und Beratungen zu unterstützen.

Kommunale Koordinierungskompetenz darf sich sinnvoller Weise nicht auf das Management von Aktivitäten an den kritischen „Schwellen“ des Übergangs beschränken, sondern muss immer stärker auf Prävention im Sinne der Stärkung der Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen, sich zu orientieren und auch in schwierigen Situationen handlungsfähig zu bleiben, ausgerichtet sein. Im Ensemble von allem, was auf die Erziehung und Bildung von Kindern und Jugendlichen einwirkt, kommt den Schulen eine Schlüsselstellung zu; sie müssen deshalb auch aus kommunaler Verantwortung heraus besondere Aufmerksamkeit finden.

Die Beziehungen zwischen Schulen und Gemeinde müssen im Interesse der nachwachsenden Generation und der Zukunft der Gemeinwesen zu einer zentralen Achse kommunaler Koordinierung werden. Vereinbarungen zu Qualität, Innovation und Kooperation können schon jetzt getroffen werden; in vielen Städten und Kreisen geschieht dies bereits. Die Aktivierung der Beziehungen zwischen Gemeinde und Schulen braucht aber auch eine generelle bildungspolitische Animierung und rechtliche Absicherung.

3. Schulen, Agenturen für Arbeit, Arbeitsgemeinschaften und „Options-Agenturen“ nach dem Sozialgesetzbuch II, Betriebe, Kammern, Verbände und andere institutionelle Partner „vor Ort“ sollen sich verbindlich in die Kommunale Koordinierung einordnen. Um das Prinzip „Aus einer Hand“ erreichen zu können, ist es erforderlich, dass sich die wichtigsten institutionellen Partner „vor Ort“ in die kommunale Koordinierung einordnen und sie unterstützen.

Kooperationsvereinbarungen vor Ort können hierfür eine Arbeitsgrundlage sein; solche Vereinbarungen existieren vielerorts bereits.

Es kann an das Beispiel vieler Städte und Kreise angeknüpft werden, die in den letzten Jahren eine solche Prioritätensetzung vollzogen haben. Spürbare Erfolge durch die Koordinierung - so zeigen alle Erfahrungen - stellen sich erst nach einer gewissen Zeit ein. Kommunale Koordinierung braucht dort, wo sie bereits etabliert ist oder sich im Prozess der Etablierung befindet, Verstetigung, um sich festigen und kontinuierlich verbessern zu können.

Die Erfahrungen der vergangenen Jahre lehren, dass die Schulen, Agenturen für Arbeit, Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen und die Kammern durch Richtlinien und Empfehlungen angehalten werden sollten, mit der Kommunalen Koordinierung zusammen zu arbeiten. Bund, Länder, Bundesagentur für Arbeit, die kommunalen Spitzenverbände und die Kammer- und Wirtschaftsorganisationen werden aufgefordert, in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich durch geeignete Maßnahmen die Wirkfähigkeit kommunaler Koordinierung zu stützen und zu stärken.

Den Betrieben kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu, weil sie den notwendigen, gegenwärtig knappen und deswegen sehr begehrten Lernort für Arbeits- und Berufspraxis bieten. Die Gestaltung der Beziehungen zwischen der Kommunalen

Koordinierung und den Betrieben „vor Ort“ einschließlich ihrer Organisationen und Vertretungen bedarf deshalb besonderer Sorgfalt. Betriebe müssen dabei in ihrer Bereitschaft und Fähigkeit, sich der Lokalen Verantwortungsgemeinschaft zuzuordnen, animiert und unterstützt werden. Partnerschaftskonzepte sind gefragt; auch hierzu gibt es bereits vielfältige gute Beispiele.

Das Engagement der lokalen Wirtschaft dient zugleich der Sicherung und dem Ausbau der eigenen zukünftigen qualifizierten Mitarbeiterschaft. Diese Investition in die eigene Zukunft bildet die wirksame Basis für lokale und regionale Kooperation.

4. Bürgerschaftliche Lokale Verantwortungsgemeinschaften sind Basis und unverzichtbare Partner Kommunaler Koordinierung. Sie sind aktive und praktische Anwälte für Jugendliche und junge Erwachsene angesichts der Schwierigkeiten des Übergangs in die Arbeitswelt.

Kommunale Koordinierung kann ohne das Engagement von Organisationen und Initiativen der Bürgergesellschaft und einzelner Bürgerinnen und Bürger nur schwer die volle Integrationswirkung entfalten; dies gilt insbesondere für die Gruppen von jungen Menschen mit besonderen Berufsstart-Schwierigkeiten. Migrantenselbstorganisationen müssen selbstverständlicher Teil Lokaler Verantwortungsgemeinschaften werden.

Im Zusammenwirken von Kommunaler Koordinierung und Lokaler Verantwortungsgemeinschaft liegt die besondere Chance der Nutzung der Potenziale des Lokalen. Kommunale Daseinsvorsorge und wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zukunftssicherung, Bindungen an den Ort, wo man zuhause ist („Heimat“), Lebensweltnähe, BürgerInnensinn und soziales Engagement gehen dabei eine enge und perspektivreiche Verbindung ein.

In diesem Sinne müssen das Interesse und die Engagementbereitschaft der Jugendlichen und jungen Männer und Frauen selbst einen wirksamen Ort finden. Der Übergang muss für sie und mit ihnen gestaltet werden. Aufbau und Pflege Lokaler Verantwortungsgemeinschaften und die Herausforderung und Anerkennung bürgerschaftlichen Engagements sind deshalb unverzichtbar. Fördereinrichtungen, insbesondere Stiftungen, sind dazu aufgefordert, gezielt das Zusammenwirken von Kommunaler Koordinierung und Lokaler Verantwortungsgemeinschaft für die berufliche und soziale Integration von Jugendlichen zu unterstützen.

5. Zentrale Zukunftsaufgabe aller ist die tief greifende Verbesserung der Kompetenzen bildenden, sozialen und integrativen Qualität aller Übergangswege. Also: Lokale Übergangssysteme neu denken und aktiv gestalten!

Als „Lokales Übergangssystem“ soll die Gesamtheit aller Bildungs- , Ausbildungs- und Qualifizierungsgänge und Angebote, Berufsorientierungen, Beratungen und Unterstützungen verstanden werden, die Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen „vor Ort“, von der Sekundarstufe I ausgehend, für die Integration in das Berufs- und Arbeitsleben zur Verfügung stehen.

Dieses Verständnis von „Übergangssystem“ schließt also ausdrücklich – und im Unterschied zu anderen vorgeschlagenen Definitionen – die schulischen Bildungsgänge der Sekundarstufe II ebenso ein wie die duale und vollzeitschulische Berufsausbildung, aber z. B. auch Arbeitsgelegenheiten, wie sie nach dem SGB II bereit gestellt werden.

Es geht nun darum, diese Übergangssysteme neu zu denken und zu gestalten und ihre Qualität durchgreifend zu verbessern. Wenn dies aus der Perspektive der jungen Menschen, ihrer Übergangsbiografien und der Eröffnung von Entwicklungsoptionen heraus geschieht, wird zugleich das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zukunftspotenzial der Städte und Regionen gefördert.

Das Erfordernis, die Übergangssysteme insgesamt neu zu denken und zu gestalten, folgt der Einsicht, dass es die Königswege zur erfolgreichen Integration in die Berufs-, Arbeits- und Erwachsenenwelt nicht mehr gibt, sondern dass wir es mit einer zunehmenden Pluralisierung von Übergangsverläufen zu tun haben, die aber gegenwärtig ganz unterschiedlich chancenreich sind. Die unterschiedliche Chancen der verschiedenen Übergangswege beeinträchtigen Motivations- und Qualifikationspotenziale junger Menschen und verfestigen gegenwärtig soziale Ungleichheit.

Angemessene Integrationskonzepte im Übergang sind mit dem Ziel zu entwickeln und zu erproben, die bisherigen Schwellenproblematiken beim Übergang in die Arbeitswelt aufzulösen, gleichwertige Übergangswege zu installieren, Optionen weiterführender Bildung offen zu halten (Stichwort: „Doppelqualifizierung“, Nachholen von Bildungsabschlüssen…) und zwischen ihnen Transparenz und Durchlässigkeit herzustellen. Lebenslanges Lernen wird immer wieder mit Übergängen und erneuten Einstiegen in Bildung zu tun haben und muss deshalb zweite, dritte und weitere Chancen bereithalten. Sackgassen müssen gänzlich vermieden, Beratung und Unterstützung Biografie begleitend entlang der Übergangswege installiert werden.

Berichterstattung und Monitoring haben immer wieder auch die Aufgabe, bestehende oder sich neu aufbauende Risiken für bestimmte Gruppen von Jugendlichen zu identifizieren und damit bearbeitbar zu machen.

Dabei kann an diverse Ansätze und Modelle angeknüpft werden. In diesem Zusammenhang ist zu erwarten, dass Lokale Verantwortungsgemeinschaft und Kommunale Koordinierung zu einer Verstärkung wechselseitiger Verantwortung führen werden, nämlich der Kommune gegenüber dem „Übergangssystem“ und dessen Qualität, und umgekehrt der Akteure des Übergangssystems gegenüber der lokalen Bürgerschaft.

Dies ist aber kein Selbstzweck, sondern darauf gerichtet, dass im Zukunftsinteresse der nachwachsenden Generation wie der Städte, Gemeinden und Kreise selbst Bildung und Handlungskompetenz so wachsen, dass die Jugendlichen und jungen Erwachsenen angesichts der turbulenten Veränderungen im Übergang ihr Leben selbstbewusst „in die Hand nehmen“ können. Hierzu gehören neben Schulen, die sich zum Leben hin öffnen, auch die unverzichtbaren Lernorte „Betrieb“ und „Gemeinwesen“.

6. Politische Rahmensetzung wie auch künftige Förderpolitik müssen sich auf die Verstetigung, die Verbreitung und den Transfer robuster Modelle kommunaler Koordinierung konzentrieren. Kommunale Koordinierung muss zur Regel werden.

Es geht nicht mehr um das „Ob überhaupt“ kommunaler Koordinierung, sondern um das „Wie besser?“ und die Einführung auf breiter Basis.

Künftige Förderpolitik zum Übergang von Jugendlichen in die Arbeitswelt und das Erwachsenenleben sollte sich nicht mehr auf die Erprobung von Netzwerk- und Koordinierungsansätze konzentrieren. Auf der Basis des vorhandenen, aber weiter zu sichernden Handlungswissens aus mittlerweile mehr als einer Projekt-Generation können robuste Modelle netzwerkgestützter Kommunaler Koordinierung gezeigt, bestehende

Ansätze belastbar gemacht, für den Transfer robuster Modelle Sorge getragen und Handwerkzeuge bereitgestellt werden. Dabei ist strikt darauf zu achten - und die gesamte Förderung dahingehend abzustimmen -, dass das Prinzip „Koordinierung vor Ort aus einer Hand“ beachtet wird. Bundes- und Landesregierungen werden dringend gebeten, bei künftigen Förderprogrammen die Handlungschancen und -zwänge auf kommunaler Ebene zu beachten und die bisherigen Erfahrungen systematisch in Programmvorbereitungen einzubeziehen.

7. Die Gründung einer interkommunalen Arbeitsgemeinschaft Kommunale Koordinierung & Lokale Verantwortungsgemeinschaft wird angeregt und unterstützt.

Um diesem kommunalen Gestaltungsfeld seinen Erfolgen und Herausforderungen mehr öffentliche Aufmerksamkeit und Unterstützung zu verschaffen, wird die Initiative ergriffen, eine Arbeitsgemeinschaft Kommunale Koordinierung & Lokale Verantwortungsgemeinschaft zu gründen.

Mitglieder dieser Arbeitsgemeinschaft sind politische und fachliche Vertreterinnen und Vertreter von koordinierungsaktiven Städten, Gemeinden und Kreisen, aus Wirtschaft und Betrieben, Expertinnen und Experten und Stiftungen, die die Förderung von Koordinierung und Verantwortung zu ihrer Sache machen. Die Freudenberg Stiftung, Weinheim, ist bereit, die Federführung für die Initialphase zu übernehmen und lädt hierzu weitere Stiftungen ein.

Die Arbeitsgemeinschaft bietet ein kontinuierliches Forum für den Erfahrungsaustausch und den Transfer von Handlungswissen in verschiedenen Formen, als ExpertInnenpool, durch Tagungen, Veröffentlichungen und Expertisen. Die Arbeitsgemeinschaft trifft sich in regelmäßigen Abständen zu Gesprächen. Die Initiatoren der Arbeitsgemeinschaft laden zur Mitarbeit ein.

 

Die öffentliche Erklärung "Lokale Verantwortung für Bildung und Ausbildung" haben unterzeichnet:

Appel, Günter, Stadt Lünen, Fachbereich Wohnen und Arbeiten

Bade, Prof. Dr. Klaus Jürgen, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle

Studien, Osnabrück

Bainski, Christiane, Hauptstelle RAA-NRW, Essen

Baumgratz-Gangl, Prof. Dr. Gisela, Hochschule Fulda, Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften

Bernhard, Heiner, Oberbürgermeister Stadt Weinheim

Bettermann, Elisabeth, Bürgerstiftung Weinheim

Bezzenberger, Reiman, Strahlemann-Stiftung, Firma Junior Sportpark, Heppenheim

Booth, Corinna, Otzberg

Breuninger, Helga, Breuninger Stiftung, Stuttgart

Bylinski, Dr. Ursula, BIBB-Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn

Daß, Sabine, Ver.di - Bundesvorstand, Bereich Jugend, Berlin

Delling, Thomas, Bürgermeister Stadt Hoyerswerda

Dürr, Dr. Hedwig, Dürr-Stiftung, Hamburg

Eichert, Dr. Christof, Gemeinnützige Hertie-Stiftung, Frankfurt

Felger, Dr. Susanne, Job Central, Weinheim

Fiegle, Martina, Stadt Ravensburg

Fischer, Franz-Josef, Strahlemann-Stiftung, Reichelsheim

Flothmann, Dr. Ditmar, Freudenberg Service KG, Weinheim

Frech, Karin, Strahlemann-Initiative, Reichelsheim

Freudenberg, Dr. Bertram, Weinheim

Freudenberg, Dr. Reinhart, Freudenberg Stiftung, Weinheim

Freundlieb-Winkler, Ulrike, Biotopia, Arbeitsförderungsbetriebe Mannheim gGmbH

Frister, Dr. Gabriele, Zukunftsbau Berlin GmbH

Gärthe, Wolfgang, Euro Schulen Organisation, Stockstadt

Gericke, Dr. Thomas, Gesellschaft für Innovationsforschung und Beratung mbH, Berlin

Goedeke, Michael, Arbeitsstiftung Hamburg GmbH

Hafezi, Dr. Walid, Hauptstelle RAA-NRW, Essen

Herrchen, Dieter, Bürgermeister Stadt Elsterwerda

Höfer, Hansjörg, Bürgermeister Stadt Schriesheim

Hornef, Dr. Heinrich, Weinheimer Unterstützerkreis Berufsstart

Jacobs, Dr. Christian, Jacobs Stiftung, Zürich

Jaud, Stefan, Amtsleiter Stadt Rodgau

Kahl, Dr. Heike, Deutsche Kinder- und Jugendstiftung, Berlin

Kalb, Peter, Beltz Verlag Weinheim

Kessler, Michael, Bürgermeister Stadt Heddesheim

Kohlmeyer, Klaus, PROBERUF e. V., Berlin

Kosan, Ümit, Stadtteil-Schule, Dortmund

Kurz, Dr. Peter, designierter Oberbürgermeister Stadt Mannheim

Langemeyer, Dr. Gerhard, Oberbürgermeister Stadt Dortmund

Lehmkuhl, Prof. Dr. Kirsten, Pädagogische Hochschule Heidelberg

Leitz, Margit, Louis Leitz Stiftung, Stuttgart

Lex, Dr. Tilly, Deutsches Jugendinstitut e. V. (DJI), München

Müller, Carsten, Beigeordneter Kreis Offenbach

Nickich, Helga, RAA Hoyerswerda/Ostsachsen e. V.

Paetzel, Dr. Uli, Bürgermeister Stadt Herten

Paul, Manfred, Gemeinschaftshauptschule Aretzstraße, Aachen

Paule, Wiltraud, Berufsbildungswerk Enaip, Stuttgart

Paul-Kohlhoff, Prof. Dr. Angela, Technische Universität Darmstadt, Institut für

Allgemeine Pädagogik und Berufspädagogik

Paulsen, Bent, BIBB-Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn

Pavkovic, Gari, Integrationsbeauftragter Stadt Stuttgart

Portune, Prof. Günther, Dresden

Prepens, Manfred, BerufsWegeBegleitung BWB, Rodgau

Richter, Prof. Dr. Ingo, Freudenberg Stiftung, Weinheim

Rosin, Armin, Büdingen

Scheuerle, Dr. Brigitte, IHK Frankfurt am Main

Schulze-Böing, Dr. Matthias, Stadt Offenbach, Amt für Arbeitsförderung Statistik und Integration

Schüßler, Michael, Stadtrat Rodgau

Schuster, Dr. Wolfgang, Oberbürgermeister Landeshauptstadt Stuttgart

Stegnos, Elvira, Interkulturelles Bildungszentrum, Mannheim

Stühler-Lenhard, Gerold, HWK-Service GmbH, Würzburg

Thoma, Günter, Deutsche BP Stiftung, Bochum

Tölle, Renate, Stadt Dortmund

Vogel, Hans-Josef, Bürgermeister Arnsberg

Wahl, Stefanie, Institut für Wirtschaft und Gesellschaft, Bonn

Weichhold, Manfred, Stiftung Wirtschaft und Erziehung, Karlsruhe

Weigele, Melanie, Technische Universität Darmstadt, Institut für Allgemeine Pädagogik und Berufspädagogik

Weitbrecht, Prof. Dr. Hansjörg, Weinheimer Unterstützerkreis Berufsstart

Wrede, Irmgard, renatec GmbH, Düsseldorf

Redaktion:

Heiner Brülle, Landeshauptstadt Wiesbaden, Amt für soziale Arbeit

Dr. Pia Gerber, Freudenberg Stiftung, Weinheim

Dr. Thomas Gericke, Gesellschaft für Innovationsforschung und Beratung mbH, Berlin

Peter Kalb, Stadtrat, Bensheim

Klaus Kohlmeyer, ProBeruf e. V., Berlin

Dr. Wilfried Kruse, Sozialforschungsstelle, Dortmund

Christian Petry, Freudenberg Stiftung, Weinheim

Prof. Dr. Ingo Richter, Freudenberg Stiftung, Weinheim

Stefanie Wahl, Institut für Wirtschaft und Gesellschaft e. V., Bonn

Lutz Wende, Lutz Wende OrganisationsBERATUNG, Bornheim