Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative

Die Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative ist ein Zusammenschluss von über 20 Städten und Landkreisen und zahlreichen weiteren Akteuren. Sie steht für Konzept und Praxis Kommunaler Koordinierung bei der Gestaltung der Übergänge Schule – Arbeitswelt „vor Ort“.  Die Arbeitsgemeinschaft sieht für sich zwei zentrale, miteinander eng verbundene Aufgaben: sich „anwaltschaftlich“ für die Anerkennung von Kommunaler Koordinierung und gute und förderliche Rahmenbedingungen einzusetzen, und die fortlaufende Verbesserung der lokalen Praxis zu unterstützen.

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Protokoll der ersten Sitzung

14.01.2014

Teilnehmerinnen und Teilnehmer:

Katharina Goethe (BQN-Berlin), Christina Götte (HOWOGE), Christian Kahmann ( BWB Berliner Wasserbetriebe), Karl Heinz Wanninger (Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Berlin), Monika Lewek-Althoff (Stadt Lünen), Maren von Nordeck (Otto Group), Virginia Scharkowsky (BSR, Berliner Stadtreinigungsbetriebe), Klaus Kohlmeyer (BQN Berlin), Wilfried Kruse (Weinheimer Initiative), Michael Goedeke (Bundesnetzwerk Schule-Ausbildung e.V.)

Zu Beginn der Sitzung rekapitulierte Wilfried Kruse noch einmal kurz, wie es zur Bildung der Facharbeitsgruppe kam. Beherrschte auch in der Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative früher ein defizitorientierter Blick auf den Übergang zwischen Schule und Beruf die Diskussion, wurde mit dem Jahresforum der Weinheimer Initiative in Kiel 2012  der Fokus auf die Gestaltung des Berufseinstiegs auch von der betrieblichen Seite her gelegt. Die Frage, was es heißt, gut anzukommen in der Arbeitswelt und welche Folgen diese Fragestellung auch für Betriebe hat, führte zur Einrichtung der Facharbeitsgruppe. Die Kooperation zwischen Betrieben und der kommunalen Koordinierung ist bisher nicht besonders ausgeprägt, hier bedarf es eines stärkeren Zugehens auf die Partner.

 

Themenkomplex „Attraktivität von Ausbildung & Willkommenskultur: Vom Praktikum zur Ausbildung“

1.    Karl Heinz Wanninger führte in das Thema ein. Wozu ist es notwendig, eine Willkommenskultur in den Betrieben zu entwickeln? Gibt es eine Problemlage, die neue Antworten erforderlich macht? Die Biografien der Jugendlichen sind vielfältiger geworden. Herausforderungen seien hier besonders: unterschiedliche Migrationshintergründe, die Berücksichtigung von Genderaspekten oder Inklusionsanforderungen. Eine Willkommenskultur muss dieser Vielfalt gerecht werden. Die Antwort darf nicht Segregation bedeuten.
Willkommenskultur ist damit eine strategische Aufgabe, die sowohl taktisch-operatives Interesse der Betriebe mit ihrem Bedarf an Auszubildenden als auch deren Ausgangslage zu berücksichtigen hat.
Dabei sind die verschiedenen Perspektiven der Akteure hinsichtlich eines gelingenden Übergangs von der Schule in den Beruf zu berücksichtigen:


Kommune: Für das Gemeinwohl hat Arbeit als konstituierendes Moment der Gesellschaft eine besondere Bedeutung
Betriebe: Es werden dringend Nachwuchskräfte gesucht, hier gibt es Handlungsbedarf
Schülerinnen und Schüler: Sie benötigen eine Klärung der Frage, was nach der Schule passiert
Schule: Legt die Grundlage für lebenslanges Lernen und möchte dieses verstetigen

Die Aufgabe einer Willkommenskultur besteht jetzt darin, diese Perspektiven zu verzahnen und eine Anschlussfähigkeit an das, was ist, herzustellen. Dabei muss immer an die Potenziale angeknüpft werden, um ein Einsteigen – Weiterentwickeln – und gegebenenfalls ein Umsteigen zu ermöglichen.
In der sich anschließenden Diskussion wurden die folgenden zentralen Fragestellungen bzw. Anforderungen bei der Ausgestaltung einer Willkommenskultur entwickelt:

  1. Was hat sich bei den Verantwortlichen, die mit den Jugendlichen umgehen/arbeiten, verändert? Gibt es heute mehr Bereitschaft zur Eigenverantwortlichkeit oder die Orientierung an Vorschriften?
  2. Welche Menschen finden wir vor? Gibt es Unterschiede zu früher? Wie kann eine erfolgreiche Bindung an die Betriebe gelingen, die eine klare positive Entscheidung der Jugendlichen benötigen?
  3. Der Fokus ist auf die Stärken der Jugendlichen und ihre Entwicklungsmöglichkeiten zu legen
  4. Gibt es eine ausreichend große Schnittmenge zwischen den Bedürfnissen und Interessen der Jugendlichen auf der einen Seite und Anforderungen der Betriebe auf der anderen Seite, um daraus gemeinsame Perspektiven zu entwickeln?
  5. Wie berücksichtigen das Recruitment und die Personalentwicklung, dass Jugendliche neben der Arbeit auch noch andere Interessen verfolgen sollten, die förderlich für die Entwicklung ihrer Persönlichkeit sind.
  6. Wie kann es gelingen, Enttäuschungen in den Betrieben vorzubeugen, die oft nicht berücksichtigen, dass es sich bei den Jugendlichen um Heranwachsende handelt, deren (Persönlichkeits)Entwicklung keinesfalls abgeschlossen ist?


Das Arbeitsweltbild der Jugendlichen ist oftmals überholt, da die Entscheidung für einen Beruf immer noch mit der Erwartung verbunden wird, diesen lebenslang ausüben zu können/müssen. Es muss deshalb unter Einbeziehung der Sozialpartner gelingen, Phasen des Übergangs von der Schule in den Beruf und der Erwerbstätigkeit selbst zu definieren, die jeweils mit unterschiedlichen Optionen verbunden sind. Der Einstieg muss für alle ermöglicht werden, Weiterbildungsmodule müssen abgesichert werden. Zugleich müssen Möglichkeiten und Grenzen dieser Phasen transparent gemacht werden.

2.    Anschließend stellte Christian Kahmann die Überlegungen vor, die bei der Etablierung einer Willkommenskultur in Betrieben zu berücksichtigen sind.
Kommen Schülerinnen und Schüler bzw. Auszubildende in den Betrieb, ist es bedeutsam, ihnen eine Orientierung zu geben. Hilfreich sind dabei beispielsweise schriftliche Ablaufpläne.
Mediale Möglichkeiten sollten beachtet werden. So kann ein Teil der Homepage eines Unternehmens unter Einbeziehung der Jugendlichen gestaltet werden. Daraus kann sich eine win-win Situation für Bewerberinnen und Bewerber sowie den Auszubildenden des Betriebs ergeben.
Lange Zeit konzentrierten sich Unternehmen nur auf sogenannte ausbildungsreife Jugendliche. Sowohl unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten („Wir brauchen nicht nur Führungskräfte, sondern auch Menschen, die ihre Arbeitszufriedenheit in der Durchführung von Routineaufgaben erreichen“) als auch unter der Recruitingperspektive angesichts des demografischen Wandels muss die Leistungsheterogenität der Jugendlichen im eigenen Handeln berücksichtigt werden. Hierbei sind verstärkt die (verschütteten) Potenziale der Jugendlichen in den Fokus zu rücken. Hilfreich ist es auch, wenn man sich mehreren Zugangswegen in das Unternehmen öffnet und dabei auch die Zusammenarbeit mit Trägern aus dem Bereich der Jugendberufshilfe sucht.
Eigenes Verhalten permanent zu reflektieren und Erfahrungen auszutauschen, gewinnt immer größere Bedeutung. Dabei sind neben den betrieblichen Akteuren die Schulen, die beruflichen Schulen und die Schüler einzubeziehen.
Anmerkung: Welche Rolle dabei die Kommunale Koordinierung übernehmen sollte, ist noch nicht ausreichend geklärt.

3.    Klaus Kohlmeyer berichtete von den Ergebnissen der Arbeit von BQN zur Frage, wie Praktika besser zur Erlangung einer Berufswahlkompetenz genutzt werden können.

Bedeutend ist dabei eine enge Verzahnung des Lernorts Betrieb mit der Arbeit in den Schulen. Hierbei ist insbesondere die jeweilige Funktion des Praktikums zu beachten. Handelt es sich um ein erstes Orientierungspraktikum in den Klassen 7 und 8, dient es als Erprobung einer vorläufigen Berufswahlentscheidung oder ist es ein Qualifizierungspraktikum, welches z.B. in eine Maßnahme der Berufsschule eingebunden ist? Das betriebliche Praktikum muss entsprechend gestaltet sein und sollte immer dem Kompetenzaufbau dienen und einen entsprechenden Entwicklungsraum bieten.

Unter dem Gesichtspunkt des „Gut Ankommen in der Arbeitswelt“ wurde diskutiert, ob eine Zertifizierung oder Zulassung von Praktikumsbetrieben sinnvoll wäre. Die „Unlust“ vieler Jugendlicher sollte als Herausforderung verstanden werden und gemeinsam mit der Schule ist im Vorfeld zu überlegen, wie Überforderungen der Betriebe und der Jugendlichen verhindert werden könnten.

4.    Zum Abschluss der Sitzung nahm Michael Goedeke noch einmal die Sichtweise von Jugendlichen im unmittelbaren Prozess des Übergangs von der Schule in die Ausbildung auf und verdeutlichte deren Verunsicherung. Alle handelnden Akteure müssen diese in ihrem Handeln berücksichtigen.

Ausblick: Auf der nächsten Sitzung der Facharbeitsgruppe sollen folgende Fragestellungen unter besonderer Berücksichtigung der Heterogenität der Gruppe näher beleuchtet werden:
Wie muss eine Begleitung von Jugendlichen im unmittelbaren Übergang Schule-Ausbildung aussehen?
Welche Veränderungen sind in der Betrieblichen Ausbildungsgestaltung sinnvoll und notwendig?
Wie kann die Kooperation Betrieb-Berufsschule noch besser ausgestaltet werden?


Protokoll: Michael Goedeke

Kontakt bei Interesse und Fragen:
Michael Goedeke
goedeke@bundesnetzwerk.org